Ordnung aus Nyarlathoteps Abgrund: In 3 Schritten zum konformen Claim Management

Claim Management

Ordnung aus Nyarlathoteps Abgrund: In 3 Schritten zum konformen Claim Management

In der Welt von H. P. Lovecraft ist Nyarlathotep der „kriechende Schrecken“, ein Bote des Chaos, der unzählige Gestalten annehmen kann, niemals gleich erscheint, und doch stets die gleiche zerstörerische Wirkung entfaltet. Es steht für die Schwierigkeit des Menschen, im allgegenwärtigen Chaos Ordnung zu finden; ein Ziel dem der Mensch sich nichtsdestotrotz immer wieder aufs Neue widmet.

In meiner beruflichen Realität fand ich mich in einer vergleichbaren Situation wieder: Drei traditionsreiche Werftbetriebe wurden unter ein gemeinsames Unternehmensdach gebracht, verbunden nicht nur durch eine neue Struktur, sondern auch durch die Herausforderung, ihre divergenten Prozesse zu vereinen. Besonders deutlich zeigte sich dieses Chaos im Claim Management: Unterschiedliche Begrifflichkeiten, gewachsene Einzelprozesse, persönliche Arbeitsweisen – eine vielgestaltige, schwer greifbare Welt der Reklamationsbearbeitung.

Dem Chaos musste also eine Ordnung gegeben werden. Nicht durch starre Vorgaben, sondern durch eine strukturierte Analyse, die Integration funktionierender Ansätze und die Entwicklung eines gemeinsamen Standards. Aus dem Vielgestaltigen wurde ein klarer, standortübergreifender Prozess für eingehende und abgehende Claims – verständlich, anwendbar, effizient.

Der Weg vom Chaos zur Ordnung in 4 Schritten

Zwar sollte die Fertigung an drei Standorten weiterlaufen, der Einkauf wurde aber schon im Zuge des Zusammenschlusses an einem der Standorte zentralisiert. Hinzugekommen war als neuer Aufgabenbereich das Claim Management. Nach wie vor wurden aber sowohl eingehende als auch abgehende Claims in den drei Altbetrieben unterschiedlich gehandhabt. Hier kam ich ins Spiel. Ich hatte einen Standard für die Abwicklung dieser Themen im Sinn.

Das Vorgehen war somit wie folgt:

1. Situation analysiert

Zunächst habe ich die bisherigen Prozesse und Verfahrensweisen aufgenommen. Durch jahrelang gewachsene Strukturen und wenig Digitalisierung wurde das Claim Management oft in Form von mündlichen Zurufen und mehr oder weniger willkürlich gestellten Rechnungen von Lieferanten umgesetzt. Dokumentierte Prozesse gab es wenige bis keine und auch im Bereich des Reklamationsmanagements gegenüber dem Lieferanten herrschte Zettelwirtschaft und Uneinheitlichkeit.

2. Überlappung identifiziert

Wesentliche Überlappungen gab es in den drei, ehemals selbstständigen, Unternehmen vor allem in der Struktur. Hier konnte ich die Ablauforganisation an die Aufbauorganisation anlehnen und somit die ähnlichen Strukturen für einen einheitlichen Prozess nutzen. 

3. Einführung eines standardisierten Claim Management Prozesses

Nach der Analyse der Ist-Situation und der Identifikation der Ähnlichkeiten, konnte ich einen neuen einheitlichen Prozess entwickeln. Dieser sah vor, dass sowohl Änderungsanzeigen vonseiten des Lieferanten als auch Mängelanzeigen vonseiten des Unternehmens über einheitliche Formulare und einen standardisierten Prozess abgewickelt wurden.

Es wurde keine Rechnung mehr gezahlt, ohne dass der Lieferant seine Forderung auf dem definierten Formular einreichte. Beim Onboarding neuer Lieferanten wurde dies vertraglich festgehalten. Für bestehende Lieferanten wurde der neue Prozess in einer Einmalaktion entsprechend ausgerollt. 

Lieferantenanzeige für Mehrleistungen

Abbildung 1: Beispiel einer Lieferantenanzeige für Mehrleistungen

 

Im Sinne der Digitalisierung wurde das in einem der drei Unternehmen vorhandene ERP-System genutzt um Änderungen, in die eine, wie in die andere Richtung, systematisch an die ursprüngliche Bestellung zu binden. So konnten Änderungen nicht nur prozessual gleich gehandhabt werden, sondern es wurde die Möglichkeit geschaffen diese Änderungen auch auszuwerten.

4. Schulung der Mitarbeiter und Kommunikation an weitere Prozessteilnehmer

Ein Prozess ist nurmehr so viel Wert, wie er auch angewendet wird. Somit sind die Schulung und Kontrolle der korrekten, durchgängigen Anwendung Teil jedes Change Managements. Die verantwortlichen Mitarbeiter des Einkaufes wurden von mir in dem neuen Claim Management Prozess innerhalb einer Schulung unterwiesen.
Als spezielle Herausforderung musste das durch die zum Teil jahrzehntelang eingefahrenen Prozesse und die neue Konsolidierung der unterschiedlichen Unternehmen auch das Silodenken aufgeweicht werden, was aber mit etwas Fingerspitzengefühl gut gelang. Der neue Prozess wurde im QM-System der Firma verankert und Lieferanten wurden über den neuen Prozess informiert bzw. Verträge wurden entsprechend angepasst.

Effizienzsteigerung durch klare Prozessstrukturen

Im Ergebnis konnten so klare Strukturen für das Claim Management erarbeitet und implementiert werden. Alle Schnittstellen waren klar beschrieben und jeder in der Organisation wusste genau, was zu tun war. In der Folge konnten Claims in Millionenhöhe realisiert und Kapazitäten im Gegenwert von rund drei FTEs durch die Verschlankung des Prozesses geschaffen werden. 

Was ist Eure Erfahrung aus der Zusammenlegung von Prozessen und/oder Abteilungen? Auf welche Schwierigkeiten seid ihr hier schon gestoßen?

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Daniel ist ein versierter Diplom-Wirtschaftsingenieur mit umfassender Erfahrung in Materialflussoptimierung und Lieferkettenmanagement. Seit 2018 unterstützt er als Interim Manager und Berater führende Unternehmen dabei, ihre Einkaufs- und Logistikprozesse effizienter zu gestalten. Seine Expertise umfasst die Analyse von Lieferumfängen, Verhandlung von Rahmen- und Einzelverträgen, Optimierung von P2P-Prozessen sowie das Trouble-Shooting entlang der gesamten Wertschöpfungskette. In Branchen wie Windkraft, Automotive und Fertigungstechnik hat er durch strategische Maßnahmen nachhaltige Verbesserungen in der Lieferperformance und Prozesssteuerung erzielt. Mit einem geschulten Blick für Schwachstellen entwickelt er individuelle Lösungen, die Kosten senken und Effizienz steigern. Sein praxisorientierter Ansatz kombiniert analytische Methoden mit strategischem Verhandlungsgeschick. Unternehmen profitieren von Daniels tiefgehenden Verständnis für Materialfluss und proaktive prozessorientierten Maßnahmen zur nachhaltigen Wertschöpfung.

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