„Directed Buy Parts” – Wie das Management von Setzteilen Chaos in Konsolidierung verwandelt!

Directed Buy Parts by Daniel Panzer

Kürzlich war ich für einen Kunden aus der produzierenden Pharmaindustrie tätig. Da ich natürlich nicht als Pillendreher bekannt bin, sondern vielmehr für meine Engineeringexpertise im Beschaffungsbereich ging es vornehmlich um die Optimierung des Maschinenparks.

So wurde unter anderem in dem Projekt festgestellt, dass in den verschiedenen Fertigungsmaschinen zur Herstellung der Tabletten und anderen Darreichungsformen unterschiedlichste Sensoren eingebaut waren. Das heißt, bei den regelmäßigen Wartungen und Reparaturen war oft nicht ersichtlich, von welchen Herstellern und welcher Sensor genau benötigt wurde. Sowohl im Sinne der vorausschauenden Bestellung von Ersatzteilen als dann auch dem zeitnahen Einbau führte dies somit immer wieder zu Verzögerungen bei der Reparatur oder Wartung der Maschine und manchmal sogar zu Produktionsausfällen.

Um diesem Problem zu begegnen, wurden zunächst einmal werksübergreifend versucht Sensoren zu vereinheitlichen um die Lagerhaltung und Wartung zu vereinfachen.

Ab diesen Zeitpunkt enthielten Ausschreibungen für neues Equipment die Vorgaben für die Sensoren bezüglich Marke, Typ usw.

So kam das Thema Setzteilmanagement auf die Agenda.

Die typische Frage in einer Verhandlung nach Anforderungsvereinfachungen und folglich Preisreduktion wurde häufig mit „lasst uns unsere Standardsensoren nutzen“ beantwortet. Da die Vorteile der Vereinheitlichung beim Pharmaunternehmen beibehalten werden sollten, wurde über Beistellteile bzw. Setzteile nachgedacht, um einen interessanten Volumeneffekt zu generieren.

Vorteile von Setzteilen sind im Wesentlichen:

  • Vermehrte Kostenkontrolle und Erzielen von Skaleneffekten
  • Informationen über neue Technologien
  • Direkte Beeinflussung der Teilequalität
  • Risikominimierung bzw. Kontrolle über die Nachhaltigkeit

Was sind Setzteile?

Das Setzteil im Englischen „directed buy part“ ist ein Teil der Stückliste, für welches ein spezifischer Lieferant vorgegeben wird.

Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  • Steigende Komplexität der Bauteile
  • Realisierung von Gleichteil- und Baukastenstrategien
  • Zunehmende Qualitätsansprüche der Endkunden
  • Höhere gesetzliche Anforderungen an Produkteigenschaften, speziell durch regulative Vorgaben z.B. von FDA (Food and Drug Administration) oder MDR (Medical device regulation).

Setzteilstrategien

Bei der Setzteilstrategie gibt es zwei wesentliche Möglichkeiten, das Setzteil vorzugeben:

  1. Vorgabe über Spezifikation

    Wird das Setzteil über eine eng gefasste Spezifikation vorgegeben, hat der direkte Lieferant keine andere Möglichkeit als das spezifizierte Teil über einen Lieferanten zu beziehen. Dies wurde entsprechend im Vorprojekt genau so schon für neues Equipment umgesetzt.

    Hierbei mischt sich der OEM (Original Equipment Manufacturer) nicht in die Preisgestaltung oder die Qualitätsdefinition zwischen Tier-1 (also dem Lieferanten) und Tier-2 (dem Lieferanten des Lieferanten, also unserem Sublieferanten) ein und hat somit auch keine Kontrolle über diese zwei Aspekte der Lieferbeziehung.

    Scheinbar hat der OEM somit die Verantwortung auf den Lieferanten übertragen. Es kann in so einem Fall aber durchaus sein, dass der Tier-1 Lieferant sich durch die eng gefasste Spezifikation nicht für den Unterlieferanten verantwortlich fühlt, da er fälschlicherweise annimmt, dass der OEM Qualität und Preise mit dem Tier-2 Lieferanten vereinbart hat.

    Daher raten wir in jedem Falle zu einer schriftlichen Vereinbarung über die Zuständigkeiten.

  2. Direkte Benennung des Lieferanten und des Bauteils (siehe Grafik)
  1. Der OEM nominiert Setzteillieferanten für Setzteil „S“ und verhandelt (eventuell) dessen Preis
  2. Der OEM nominiert den Tier-1 Lieferanten für Komponente „K“ (zu deren Herstellung u.a. Setzteil „S“ benötigt wird)
  3. Der OEM beauftragt den Tier-1 Lieferanten mit der Lieferung von Komponente „K“ und gibt gleichzeitig vor, bei welchem Setzteillieferanten dieses Setzteil „S“ bezogen werden muss
  4. Der Tier-1 Lieferant bestellt das entsprechende Setzteil „S“ und ruft dieses beim nominierten Setzteillieferanten ab
  5. Der Setzteillieferant liefert das Setzteil „S“ an den Tier-1 Lieferanten
  6. Der Tier-1 Lieferant fertigt Komponente „K“ nach deren Abruf durch den OEM und liefert diese an den OEM
  7. Der OEM bezahlt den Tier-1 Lieferanten für Komponente „K“
  8. Der Tier-1 Lieferant bezahlt den Sublieferanten für Setzteil „S“

Die Qualitätsverantwortung in der Serie (auch für Setzteile des Setzteillieferanten) liegt beim Tier-1 Lieferanten. Auch die operative Kommunikation und Steuerung obliegt dem direkten Lieferanten.

Neben den genannten Vorteilen hat dieses Konstrukt aufgrund der Dreiecksbeziehung aber auch einige Nachteile:

Aufgrund der Nominierung des Tier-2 Lieferanten könnte der Tier-1 vermuten, dass er nicht in der Verantwortung steht.

So habe ich schon Fälle erlebt in denen es Qualitätsprobleme mit den Teilen des Tier-2 Lieferanten gab und sowohl der OEM als auch der Tier-1 Lieferant haben sich gewundert, dass die jeweils andere Partei sich nicht verantwortlich fühlte. Es ist also essenziell, hier eine entsprechende, schriftliche Basis zu schaffen.

Dies ist der zweite Nachteil dieses Konstruktes: Durch die verwobenen Beziehungen zwischen den Lieferkettenteilnehmern ist die Vertragsgestaltung erschwert. Aber auch dafür haben wir für euch natürlich Lösungsansätze.

Vertragskonstrukte im Setzteilmanagement

Um Verantwortlichkeiten für die vielfältigen Themen des Setzteilmanagements mit allen betroffenen Parteien zu regeln gibt es verschiedene Ansätze.

  1. Der OEM schreibt alle Verpflichtungen in den Vertrag des Tier-1 Lieferanten, der diese an den Tier-2 weiterzugeben hat. Hierbei hat der OEM keine Kontrolle inwieweit der Tier-2 wirklich vertraglich z.B. zur Sicherstellung von Lieferungen oder Einhaltung der Qualität verpflichtet ist.
  2. Der OEM schließt sowohl einen Vertag mit dem Tier-2, als auch mit dem Tier-1. Hierbei ist dann rechtlich klar darzustellen wer welche Verpflichtungen gegenüber wem hat. Der OEM ist hierbei der Vermittler und Überwacher der unterschiedlichen Pflichten.
  3. Es wird ein Vertrag zwischen allen drei Parteien geschlossen, der alle Punkte der gegenseitigen Verpflichtungen enthält. Dieser Weg ist der rechtlich sicherste, aber auch der schwierigste, da alle drei Parteien den Vertrag unterzeichnen müssen und sich somit die Abstimmung oft entsprechend komplex gestaltet.

 

Eine weitere Herausforderung, in solch einer Konstellation kann die mangelnde Bereitschaft der Lieferanten sein, miteinander zu arbeiten, speziell, wenn es sich ggf. um Konkurrenten handelt. Dies bezieht sich speziell auf die Offenlegung von Preisen von Tier-2 zu Tier-1.

Dies kann z.B. mit einem entsprechenden Rabattmodell umgangen werden (Solltet ihr Interesse haben, wie so etwas aussehen kann, stehen wir gerne für Fragen zu Verfügung 😊).

Habt ihr bei Lieferanten Setzteile eingesetzt? Welche Herausforderungen haben sich hierbei ergeben?

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Als diplomierter Maschinenbauer mit über 15 Jahren Erfahrung im Beschaffungsmanagement berät Daniel vom Einkäufer über Ingenieure bis hin zum CEO. Hierbei kann er auf das Wissen aus verschiedenen Industriezweigen von der Chemie- und Pharmabranche über die Energie- bis hin zu weiteren diversen technischen Branchen zugreifen. Neben dem strategischen Einkauf ist er spezialisiert auf Prozessverbesserungen, das Lieferanten-, Claim- und Vertragsmanagement, sowie Kostenoptimierungen unter anderem durch fortgeschrittene Verhandlungen.

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