Ein Lieferantenportal für den Bund

Ein Lieferantenportal für den Bund

Nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch im öffentlichen Sektor schreitet die Digitalisierung voran. Das Online-Zugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen sogar, ihre Verwaltungsleistungen digital anzubieten. Die Freie Hansestadt Bremen erhielt den Auftrag zunächst für sich, mittelfristig aber zum Roll-Out für alle Bundesländer (Einer-Für-Alle-Prinzip), eine digitale Lösung für das öffentliche Vergabeverfahren zu entwickeln. In der Privatwirtschaft kennen wir das Thema unter dem Begriff Lieferantenportal bzw. in Kombination mit einem E-Procurement Portal.

Die initiale Problemstellung, speziell für anbietende Unternehmen war in der Vergangenheit, dass es im Gesamtprozess viele verschiedene öffentliche Ausschreibungsportale gab. Für den Abbau von Wettbewerbsbarrieren, also letztlich, um es möglichen Anbietern einfacher zu machen ein Angebot abzugeben, sollten diese Portale nun vereinheitlicht werden.

Das neue Konzept umfasste den gesamten Prozess von der Lieferantenqualifizierung bis hin zur Bestellung also die gesamte Bandbreite eines Lieferantenportals.

So wird in drei Teilprojekten Vergabe, Präqualifizierung sowie die Interaktion zwischen Lieferanten und Verwaltung im Bestellwesen digitalisiert:

  1. Alle Vergabeportalinformationen werden konsolidiert und auf einem einheitlichen “Bekanntmachungsservice” (separates Projekt vom Beschaffungsamt) veröffentlicht.
  2. Mittels dem Präqualifizierungsservice können Unternehmen, die an öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmen, ihre Eignung ausschreibungsunabhängig bereits im Vorfeld nachweisen und sich in amtlichen Verzeichnissen aufnehmen lassen. Ziel des Digitalisierungsprojektes ist, den Prozess bis zu den Eignungsprüfungen durch die PQ-Stellen sowohl nutzerzentriert als auch effizienter durchzuführen. Arbeitsaufwand und Kosten für Unternehmen sollen reduziert und die Einreichung unvollständiger Eignungsnachweise, die zum Ausschluss vom Bieterverfahren führen könnten, vermieden werden. So ergeben sich folglich automatisch ein besserer Wettbewerb und im Idealfall bessere und günstigere Angebote. Vergabestellen der Länder sollen von der Aktualität und Vollständigkeit eingereichter Unterlagen profitieren und nicht mehr alle eingereichten Nachweise überprüfen müssen.

Das Portal gliedert die Dienstleistungen in Bereiche, wie z.B. Bau oder Dienstleistungen. Es fragt die allgemeinen Daten sowie die Eintragung in amtlichen Verzeichnissen ab.-

  1. Im Lieferantencockpit (nicht zu verwechseln mit einem kompletten Lieferantenportal) werden dann nach erfolgreicher Teilnahme an einer Ausschreibung Rahmenverträge und Bestellungen abgewickelt. Bestellungen können aus diesem Portal im strukturierten Format (XBestellung) an Lieferanten übermittelt werden.

Für die Konzeption und Umsetzung des Teilprojektes „Teilnahme an Vergabe / Präqualifizierung“, also im Prinzip das Supplier setup oder die Lieferanteneinführung erhielt die neusta enterprise services den Zuschlag. Die Präqualifizierung umfasst hierbei das Sammeln der relevanten Daten und die digitale Weiterleitung an die Präqualifizierungsstellen (PQ-Stellen). Diese Daten sind zum Teil auch für die Privatwirtschaft einsehbar in der PQ-Liste.

Wie sind wir genau vorgegangen?

neusta enterprise services hat den Zuschlag zur Konzeption eines schlanken, digitalisierten Präqualifizierungsprozesses unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen des Online-Zugangsgesetzes erhalten.

Im ersten Schritt haben wir die bisherigen Prozesse, also den derzeit umgesetzten, größtenteils noch analogen Präqualifizierungsprozess analysiert, verstanden und dokumentiert. Eine große Herausforderung war, dass die Antragstellung auf Präqualifizierung weder einem einheitlichen Vorgehen unterlag noch von einer übergeordneten Stelle gesamtverantwortlich gesteuert wurde. Als Stakeholder haben wir innerhalb dieses Vorgehens verschiedene Beteiligte wie Auftragsberatungsstellen, PQ-Stellen, Unternehmen und öffentliche Vergabestellen identifiziert. Um alle Prozessteilschritte und Bedarfe zu erfassen, wurden die maßgeblich Beteiligten strukturiert interviewt. Wir haben rechtliche Grundlagen herangezogen und die Erkenntnisse mit tiefergehenden Recherchen angereichert.

Damit der zukünftige Online-Service die Anwender in den Mittelpunkt stellt, haben wir mittels Methoden des agilen Design-Thinking-Ansatzes Nutzermodelle (sogenannte Personas) entwickelt und eine User Journey definiert (die User Journey analysiert die Kontaktpunkte, welche die Nutzer mit der Anwendung haben und ist somit unerlässlich für die Entwicklung eines ganzheitlichen Verständnisses der Nutzerinteraktion).

(Mit welchen agilen Methoden wir sonst so arbeiten, verraten wir Euch in diesem Artikel!)

Auf dieser Grundlage haben wir schließlich fachliche und technische Anforderungen dokumentiert und in enger Zusammenarbeit mit dem Leistungsverantwortlichen des Senators für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen priorisiert. Die Umsetzungsempfehlung beinhaltete ein Konzept für die Bremer Referenzimplementierung, den Roll-out in weitere Bundesländer, sowie zwei Ausbaustufen.

In der Umsetzungsphase bestand der Auftrag zunächst darin, innerhalb von sechs Monaten unter Anwendung agiler Projektmanagementmethoden ein Minimum Viable Product (MVP), also ein funktionsfähiger Prototyp, mit elementarsten Funktionen zu entwickeln.

Diesen haben wir danach im Rahmen mehrerer Releases (also Auslieferungen) sukzessive ausgebaut. Das Umsetzungsteam ist hierbei funktionsübergreifend und analog SCRUM besetzt (Was das genau das jetzt schon wieder ist, erklären wir in diesem Artikel – sei gespannt 😊) und besteht aus

  • Fullstack-Entwicklern (also Entwickler, die sowohl am Frontend, also das was du nachher am Bildschirm siehst, als auch im Backend, also das, was im Hintergrund des Programms abläuft arbeiten.)
  • UX-Designern (UX ist die Abkürzung für User Experience – UX-Designer sind dafür da, dass du dich gut im Programm zurechtfindest und das Layout ansprechend ist.)
  • Testmanager (Testmanager kümmern sich um die strukturierte Testung der entwickelten Software(teile))
  • Proxy Product Owner (Der Product Owner (PO) – deutsch der Produkteigentümer – ist für die Wertsteigerung des Produkts im Entwicklungsprozess zuständig und verantwortet das Product Backlog und das Product Goal. Der Proxy PO ist die Vertretung des Product Owners beim Kunden)
  • Anforderungsmanager (Anforderungsmanagement umfasst Maßnahmen zur Steuerung, Kontrolle und Verwaltung von Anforderungen: Risikomanagement, Änderungsmanagement und Umsetzungsmanagement. Zertifizierungen in diesem Bereich richten sich nach den Standards des International Requirements Engineering Board (IREB)
  • Scrum Master (Der Scrum Master unterstützt und moderiert das Team. Teammitglieder, welche noch nicht mit SCRUM zu tun hatten, bildet er entsprechend aus. Bei größeren Hindernissen ist es die Aufgabe des Scrum Masters diese aus dem Weg zu räumen.)

Das Ergebnis

Als eines der ersten OZG-Projekte ging das Präqualifizierungsportal in der MVP-Version im April 2022 live. Die Weiterentwicklung schloss sich nahtlos an. So werden nach und nach weitere Verfahrensbeteiligte angebunden und erweiterte Funktionen freigeschaltet.

Das Präqualifizierungsportal ist erreichbar unter www.pq-online.eu.

Das Bremer Umsetzungsprojekt „Vergabe“ und die Inhalte seiner Teilprojekte werden in diesem Video auf anschauliche Weise erklärt.

Was denkt ihr über die voranschreitende Digitalisierung im öffentlichen Bereich? Was kann die öffentliche Hand von der Privatwirtschaft lernen und vice versa?

Stefan Ehlert

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Als Dipl.-Ing. der Medientechnik hat Stefan über 15 Jahre im Projekt- und Produktmanagement international gearbeitet und war danach mehrere Jahre als Director of Supply Chain & Product Management tätig. Heute ist er Business Development Procurement-Experte bei neusta enterprise services. Hier unterstützt und berät er neben seiner Tätigkeit als Projektleiter in klassischen Projekten auch bei der Umsetzung agiler Projekte und Prozesse.

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