Verhandeln mit Harvey Specter und dem Harvard-Konzept

Verhandeln mit Harvey Specter und dem Harvard-Konzept

Das neue Jahr ist nun schon wieder ein paar Wochen alt und die guten Vorsätze verblassen allmählich.

Was habt ihr euch vorgenommen? Von mehr Sport über gesünderes Essen, Sprachen lernen bis hin zu „digital Detox“ gibt es ja viele Dinge, die man sich so am Jahresende fürs nächste Jahr vornehmen kann.

So hatte ich  vor kurzem beim Taekwondo eine falsche Bewegung gemacht und wurde dann leider, leider trotz meiner guten Vorsätze fürs neue Jahr vom Arzt erstmal aufs Sofa verbannt. Wo ich nun schon einmal an die Couch gefesselt war, gibt es seit einigen Jahren die grandiose Erfindung von Netflix, Amazon Prime und Co.

Nun ist die Film- und Serienindustrie ja eine ganz spezielle Kategorie für sich und rein beruflich für den meisten Einkäufer eher ein Buch mit 7 Siegeln. (außer du bist professioneller Film Einkäufer, dann würde ich mich  ein Austausch sehr interessieren 😊).

Gut ausgewählt, können Serien und Filme aber an sich durchaus einen Bildungseffekt haben. Der Abend auf dem Sofa hat sich also doch gelohnt (Puh, Glück gehabt und nochmal die Kurve bekommen).

Neben den allgemeinen Lebenslehren von „Geld macht nicht glücklich“, „am Ende wird alles gut“ und „gute Weggefährten zu haben ist immer hilfreich (von Winnetou bis Hobbit)“ gibt es noch ein paar Serien, von denen wir im Einkauf auch etwas lernen können.

Suits – Verhandeln nach dem Harvard-Konzept par excellence

Die Serie Suits handelt, grob zusammengefasst, von dem Staranwalt und Kanzleipartner Harvey Specter. Dieser begegnet auf etwas unkonventionelle Weise einem genialen, jungen Mann mit fotografischem Gedächtnis und brillanter Intelligenz, aber leider ohne Jurastudium. Mike wird von Harvey unter seine Fittiche genommen und darf in der Kanzlei mitarbeiten. Aufgrund Mikes mangelnder Ausbildung und auch sonst eher unkonventionellen Art, fangen sich die beiden den ein oder anderen Ärger ein, den dieses geniale Team mit Witz, Köpfchen und Zusammenhalt aber meist lösen.

Soweit so gut – soweit so trivial.

Interessant wird es bei den einzelnen Fällen, die die zwei, beziehungsweise die Anwälte der Kanzlei, miteinander bearbeiten und abwickeln. Hier können wir sehr schön lernen wie das Harvard-Konzept angewendet werden kann.

Die vier Regeln des Harvard-Konzeptes:

  • Alternativen entwickeln
  • Sachbezogen diskutieren
  • Interessen fokussieren
  • Objektive Entscheidungskriterien

Grundregeln der Verhandlung nach dem Harvard-Konzept

Nachdem Mike sich von Louis (ein Partner der Kanzlei) hat erpressen lassen ist Harvey sehr enttäuscht von ihm.
Mike sagt „…Aber er hat mir die Pistole auf die Brust gesetzt“
Harvey fragt nach: „Und was machst du, wenn dir jemand die Pistole auf die Brust setzt?“
Mike ist sichtlich geknickt: „Ich gebe nach.“
Harvey antwortet entrüstet: „Nein, tust du nicht! Du entwaffnest ihn, oder ziehst eine größere Waffe, oder du sagst, dass er blufft oder machst etwas von 146 anderen Möglichkeiten!“

Dieser Dialog spiegelt die erste Regel des Harvard-Konzeptes wider:

Entwickle Wahlmöglichkeiten!

Ausschreibungen und damit verbundene verschiedene Angebote, können so eine Wahlmöglichkeit darstellen.
Zuletzt hatte ich bei einem Kunden den glücklichen Fall, dass dieser verschiedene kleinere Unternehmen zusammengekauft hat. Jedes dieser Unternehmen hat mit einem anderen Großhändler zusammengearbeitet. So waren wir in der glücklichen Lage, diesen neu gewonnen Spielraum zu nutzen und einerseits auf den Volumenvorteil setzen, andererseits die Grosshändler gegeneinander zu verhandeln und somit die besten Partner für unseren Kunden zu finden.

Die WIN-WIN Situation im Harvard-Konzept

Ein weiteres Prinzip des Harvard-Konzeptes ist es sachlich zu verstehen, worum es den Parteien geht, um kreative Lösungen zu finden und somit die häufig gewünschte „WIN-WIN-Situation“ herzustellen.

Verhandelt wird nicht nur im geschäftlichen, sondern täglich auch im privaten Bereich – wo geht es als nächstes in den Urlaub hin, wer fährt von der Party zurück, wer räumt die Spülmaschine aus….

In allen Dingen geht es darum, verschiedene Ziele miteinander übereinzubringen und ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen.

Hierzu ein Beispiel: Stell dir eine ganz normale Familie vor – plötzlich Kindergeschrei. Die Kinder zanken sich um die letzte Orange – beide möchten die Orange haben. Wie schlichtest du den Streit? Gibst du einem der Kinder die Orange alleine und enttäuschst das andere? Zerschneidest Du die Orange? 

Jede zunächst naheliegende Lösung wird die Streithähne nicht zufrieden stellen. Was wäre, wenn du zuerst fragst, WARUM genau die Kinder die Orange wollen?

Dabei könnte sich herausstellen: Die eine möchte gerne einen Kuchen backen und braucht nur die Schale, der andere hat Lust auf frischen Orangensaft und möchte die Orange gerne auspressen. Die Lösung ist also einfach: Erst wird die Orange geschält, dann ausgepresst und beide Kinder haben das, was Sie wollten.

Verhandle Interessen, nicht Positionen – nur so lässt sich die berühmte Win-win-Situation erreichen.

Argumentiere mit Fakten! Zeige Alternativen auf.

Im Verlauf der Serie Suits sehen wir immer wieder Situationen, die ausweglos erscheinen – bis Harvey Informationen und Fakten aus dem Hut zaubert und den Verhandlungspartner somit aufzeigt, welche Alternativen er hat und meist erscheint dann das Angebot, welches Harvey unterbreitet als sehr positiv. Hierbei weitet er zwar manchmal den Rahmen etwas über eine faire Spielweise hinaus aus und oft fordert er auch einen Gegengefallen ein, aber immer führen die aufgezeigten Wege zu einer Einigung.

Was lernen wir im Einkauf daraus?

Gehe immer gut vorbereitet und mit ausreichend Fakten ausgestattet in eine Verhandlung. Sei zwar hart in deiner Position, bleibe aber immer sachlich. Am meisten wirst du erreichen, nicht indem Du jemanden persönlich angehst, sondern vielmehr, wenn Du ihn mit Fakten dazu bringst nicht anders zu können als Dir zuzustimmen und auf Dein Angebot einzugehen.

Wie bereite ich mich bestmöglich auf eine Verhandlung nach dem Harvard-Konzept vor?

Wer eine Verhandlung gewinnen will, darf also nicht unvorbereitet sein. Es müssen Informationen gesammelt werden – über die Situation, den Verhandlungspartner, die Interessen der verhandelnden Parteien sowie die Alternativmöglichkeiten, die sich einem bieten.

Ich muss Verhandlungsziele haben, die sich in den folgenden Dimensionen bewegen

  • Was will ich mindestens erreichen – LAA – Least acceptable offer?
  • Was wäre mein optimales Verhandlungsergebnis – MDO – Most desirable outcome
  • Und was mache ich, wenn ich nicht mein LAA erreiche, also wir nicht zu einem Verhandlungsergebnis kommen? Welche andere Option habe ich? 


Legen wir nun unseren bekannten Verhandlungsbereich mit dem möglichen Bereich des Verhandlungspartners übereinander ergibt sich die sogenannte
ZOPA – Zone of possible agreement

Danach muss ich mir die Frage nach der Taktik und Strategie stellen, wie ich zu meinem definierten Ziel kommen möchte – also bildlich gesprochen mein Verhandlungsnavigationssystem.

Verhandlung Bild

Und weil die Zusammenarbeit, gerade auch im Harvard–Konzept, so wichtig ist, schauen wir uns die verschiedenen Rollen einmal an. Hierfür gibt es unter anderem das Modell des Buying Centers.

Was ist das Buying Center?

Auch wenn man sich als Einkäufer gerne als Dreh- und Angelpunkt von Einkaufsentscheidungen sieht, so entspricht das nur in den Idealfällen der Praxis. Das heißt, ich muss in der Angebotsphase auch immer berücksichtigen, welche Rollen die Anbieter als Gegenüber haben und möglicherweise für Ihre Zwecke beeinflussen möchten. 

  • Der Anwender: Der Anwender interessiert sich vor allem für die Lösung seiner Praxisthemen. 

Für Produkte ist dies der typische Ingenieur, dem eine technische Neuheit auf Anhieb gefällt und das er am liebsten sofort in jedes Produkt einbauen möchte, unabhängig von Preis, Wartbarkeit und sonstigen Folgekosten. Oft knüpfen Lieferanten schon hier an, um sich unentbehrlich zu machen. 

  • Der Entscheider: Der Entscheider ist neben der reinen Problemlösung speziell am wirtschaftlichen Mehrwert interessiert, wie einem ROI oder einer Wirtschaftlichkeitsrechnung.  

  • Der Influencer oder Gatekeeper: Influencer können externe Personen wie Berater oder aber auch Fachverbände und ähnliche sein, die die Entscheidung der Anwender oder Entscheider mit beeinflussen können. Der Gatekeeper ist klassischerweise die Direktionsassistenz, kann aber auch in den anderen Rollen liegen und kann entweder genutzt werden, um besser an den Entscheider heranzukommen oder z.B. Lieferanten davon abhalten mit dem Entscheider Sondervereinbarungen zu treffen. 

Alle an der Ausschreibung und später an der Verhandlung Beteiligten auf der Kundenseite müssen an einem Strang ziehen – eine entsprechende Absprache im Vorhinein ist hierbei hilfreich.

Für die eigentliche Verhandlung gibt es die Möglichkeit ganze Verhandlungsteams aufzubauen mit Rollen wie

  • dem Verhandlungsführer (Dieser leitet per se die Verhandlung, kann aber gleichzeitig auch eine der anderen folgenden Rollen einnehmen)
  • dem Guten (der Identifikationsfigur für die Gegenseite, z.B. die Fachabteilung) 
  • dem Bösen (derjenige, der der Gegenseite vermittelt, dass sie sich besser nicht mit Ihm anlegen sollte und häufig kompromisslos seine Meinung vertritt)
  • und dem Moderator, der die Ansichten aufgreift und zusammenführt.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Taktiken, welche sich an bekannte Kommunikationsmethoden und psychologische Theorien anlehnen, die nach Bedarf angewendet werden können. Hierbei sollte eine Verhandlung natürlich immer unter der Prämisse der Fairness ablaufen. (Wie man zwar erfolgreich, aber nicht fair verhandelt lässt sich gut in der Serie „Better Call Saul“ sehen 😊). 

Welchen Charakter aus Suits findet ihr am Besten? Verhandelt ihr schon nach dem Harvard-Konzept?

3 Antworten

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Als diplomierter Maschinenbauer mit über 15 Jahren Erfahrung im Beschaffungsmanagement berät Daniel vom Einkäufer über Ingenieure bis hin zum CEO. Hierbei kann er auf das Wissen aus verschiedenen Industriezweigen von der Chemie- und Pharmabranche über die Energie- bis hin zu weiteren diversen technischen Branchen zugreifen. Neben dem strategischen Einkauf ist er spezialisiert auf Prozessverbesserungen, das Lieferanten-, Claim- und Vertragsmanagement, sowie Kostenoptimierungen unter anderem durch fortgeschrittene Verhandlungen.

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