Agile Procurement

Agile Procurement

In einem unserer letzten Artikel haben wir über den Einkauf 4.0 berichtet und welche Auswirkungen dieser auf Einkaufsorganisationen haben wird. In der sogenannten VUCA-Welt (volatile, uncertain, complex and ambiguous), sind langfristige Planungen, speziell auch im kommerziellen Bereich, oft sehr schwierig. Wir hangeln uns von einer Unvorhersehbarkeit in die nächste und gefühlt werden die sogenannten Schwarzen Schwäne mehr (dazu mehr in einem unserer nächsten Artikel 😊). 

In solch einem Umfeld haben wir das agile Projektmanagement schätzen gelernt, welches, unter anderem, durch seine iterative Vorgehensweise geprägt ist und somit schnell auf Änderungen reagieren kann. Warum sollten wir diesen Vorteil nicht auch im Einkauf im Sinne des Agile Procurement nutzen?

Das heißt, wir möchten das agile Arbeiten, welches ursprünglich aus der Softwareentwicklung kommt, auf den Einkauf übertragen.

Das sogenannte agile Manifest, beziehungsweise dessen 4 Leitsätze, fasst die Prinzipien des agilen Arbeitens gut zusammen:

  1. Individuen und Interaktion sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
  2. Funktionierende Software (bzw. in unserem Falle funktionierende Lieferantenbewertungen und -optimierungen) ist wichtiger als eine umfassende Dokumentation
  3. Zusammenarbeit mit dem Kunden (bzw. in unserem Falle mit dem Lieferanten und unseren internen Stakeholdern) ist wichtiger als Vertragsverhandlung. Das heißt, im Falle vom agile Procurement nützt uns auch ein langwierig ausgehandelter Vertrag nichts, wenn der falsche oder ein unzuverlässiger Lieferant ausgewählt wurde. 
  4. Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Befolgen detaillierten eines Plans.

So bedeutet agiles Arbeiten:

Warum Agile Procurement?

In der Vergangenheit war ich mit folgender Situation konfrontiert: Ein Unternehmen bezog über Jahre diverse Produkte von einem Lieferanten, ohne die Produkte an aktuelle, technische Gegebenheiten anzupassen und Marktveränderungen bzw. Marktanforderungen zu beobachten. Auch wurde, die über 20 Jahre historisch gewachsene Partnerschaft, weder auf die Aktualität beiderseitiger Bedürfnisse hin überprüft, noch hatte das Unternehmen Alternativlieferanten aufgebaut. 

Das Unternehmen hatte sich auf seine alten Produkte und seinen bekannten Lieferanten verlassen und sich zu wenig mit dem technischen Fortschritt auseinandergesetzt. Als dann auch noch nach dem Kodak-Prinzip eine technische Neuerung verschlafen wurde, war es bereits zu spät. Konkurrenten hatten kleinere und günstigere Geräte mit gleicher Funktion auf den Markt gebracht und das Produkt des Unternehmens war plötzlich veraltet und nicht mehr marktfähig.

Zu dem vorab genannten Problem, der technischen Veralterung, gesellten sich nach Murphys Gesetzt auch noch zwei weitere, kritische Probleme. Die Abkündigung eines zwingend benötigten Bauteils war in diesem Fall sogar noch das geringer gewichtete Problem. Das Worst-Case-Szenario bot sich nach dem kompletten Wegfall des Lieferanten. Es gab weder ein Ersatzprodukt noch einen alternativen Lieferanten. Die Lieferfähigkeit war massiv eingeschränkt und es kam zu einer Abwanderung von Kunden aufgrund der Lieferunfähigkeit. Selbst treue Stammkunden wechselten den Lieferanten, und dass, obwohl einige von Ihnen aufgrund der Kompatibilität des alten Produktes zu Ihren bestehenden Systemen einer technischen Veränderung eher abgeneigt waren.

Das Unternehmen hatte die kontinuierliche Verfolgung des Marktes und Anpassung an diesen sowie die Wünsche seiner Kunden vernachlässigt und auch die Vitalität des einzigen Lieferanten nicht ausreichend verfolgt. Erste Anzeichen und Warnungen, wie z.B. Gründe der Verzögerungen bei vorherigen Lieferungen, wurden nicht im Team kommuniziert und so konnte das Unternehmen nicht schnell genug reagieren.

Wie hätte es mit Einsatz von agile Procurement laufen können?

Für die oben genannten Probleme und die daraus folgende unternehmerische Katastrophe gab es verschiedene Gründe, die durch den Einsatz von Methoden aus dem agilen Umfeld so wahrscheinlich nicht aufgetreten wären.

Zugegebenermaßen hätte damals auch einfach ein professionell aufgestellter Einkauf und ein vernünftiges Lieferantenmanagement geholfen das Ergebnis zu verbessern und die Auswirkungen möglicherweise zu mildern. Nun leben wir heute aber in einer volatileren Welt, so dass wir den Einsatz von agilen Methoden auch im Einkauf durchaus empfehlen (Hatten wir erwähnt: Agil ist unsere Leidenschaft 😊).

1. Lieferantenmanagement nach SCRUM

Das Lieferantenmanagement nach SCRUM ist ein wichtiger Bestandteil des agile Procurement. Das bedeutet, dass die Lieferanten kontinuierlich und zyklisch überprüft und gefördert werden. Dabei werden nicht nur die Leistung und Qualität der Lieferanten bewertet, sondern auch ihre Fähigkeit, sich den sich ändernden Anforderungen und Bedürfnissen des Unternehmens anzupassen.

Im Unterschied zum klassischen Lieferantenmanagement wird hierbei jedoch nicht einmal im Jahr die große Exceltabelle aus der Schublade genommen und alle setzen sich eine Woche daran alle Ihre Lieferanten zu bewerten (und das meist mit Daten, die so eigentlich nicht vorliegen und auch nicht repräsentativ für das ganze Jahr sind). Vielmehr erfolgt die Bewertung regelmäßig und wir fokussieren uns primär auf Auffälligkeiten und Reibungspunkte.

Konkret heißt das, es könnten die folgenden Tools implementiert werden:

  1. Ein digitales Whiteboard (Mural/Miro), auf dem die Lieferanten den vorab definierten Anforderungen an Lieferanten gegenüberstellt werden („Definition of ready“). Stellt ein operativer oder strategischer Einkäufer eine Abweichung zu der Definition-of-ready fest, so setzt er im Board ein Kennzeichen. Dieses wird dann im nächsten Meeting besprochen
  2. Monthly – statt einmal im Jahr alle Lieferanten nach deren Performance durchzukauen wird einmal im Monat ein Meeting aufgesetzt, indem alle während des Monats festgestellten Abweichungen besprochen und Handlungsmaßnahmen im Team unter Einbezug von Vertretern relevanter Abteilungen festgelegt werden. 


Somit wird die Organisation schneller und handlungsfähiger. Probleme fallen zeitnah auf und können entsprechend effektiver gelöst werden, oft noch bevor sie sich zu einem großen Problem auftürmen.

Agile Procurement - Miroboard
Abbildung: So kann beispielsweise ein Miro-Board zur Lieferantenbewertung aussehen.

Durch dieses Vorgehen wird das Risikomanagement verbessert und das Unternehmen ist besser vor unvorhergesehenen Ereignissen wie Lieferengpässen oder anderen Problemen mit den Lieferanten geschützt.

2. Agile Führung

Im Agile Procurement ist die agile Führung ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes. Dabei geht es darum, weniger auf direkte Führung und Reglementierung zu setzen und stattdessen den Fokus auf Coaching und Unterstützung der Mitarbeiter sowie auf die Schaffung guter Rahmenbedingungen zu legen.

Agile Führung bedeutet, dass Teams durch gemeinsame Ziele und Handlungs- sowie Entscheidungsfreiheit handlungsfähiger und selbstständiger werden. Hierzu gehört auch, dass die Mitarbeiter inhaltlich über die eingekauften Produkte und Dienstleistungen Bescheid wissen, um das „Mitdenken“ zu fördern, damit die Selbstorganisation funktioniert.

Eine effektive Kommunikation durch aktives Zuhören und Austausch mit den Stakeholdern ist wichtig, um gezielt Informationen nutzen und zeitnah handeln zu können.

Entscheidungswege werden durch die Vermeidung langer und ineffizienter Befehlsketten optimiert, indem Mitarbeiter mehr Eigenverantwortung übernehmen. Dies erhöht die interne Kundenausrichtung und insgesamt die Entscheidungsgeschwindigkeit.

3. Aufgabensteuerung durch Kanbanboards

Kanbanboards sind eine effektive, übersichtliche Methode Aufgaben in selbstorganisierenden Teams zu bearbeiten und transparent darzustellen. Wie genau das funktioniert, und wie wir MS Teams hierfür einsetzen, erklären wir Dir in unserem übernächsten Artikel.

Wie können wir Euch helfen?

Agilität ist eine Denk- und Handlungsweise, die Unternehmen hilft, schneller und flexibler auf sich ändernde Anforderungen und Kundenbedürfnisse zu reagieren. Agile Procurement und die oben dargestellten Möglichkeiten sind kein BluePrint, der auf jedes Unternehmen gleichermaßen angewendet werden kann. 

Wir beginnen daher in der Regel mit einer Prozessanalyse, um die Ist-Situation im Einkaufsprozess zu verstehen und mögliche Optimierungspotenziale aufzuzeigen. Dabei verwenden wir einen agilen Blick und ein agiles Mindset, um sicherzustellen, dass wir die Bedürfnisse aller Stakeholder berücksichtigen und schnelle Ergebnisse erzielen können.

Nach der Analyse starten wir ein Brainstorming zur Optimierung und Auswahl geeigneter Methoden für Eure Einkaufsabteilung. Wir erstellen User Stories und ein Backlog, um den Fokus auf eure Anforderungen zu legen. Die vorgestellten und beschlossenen Lösungsansätze und Ideen werden in Sprints umgesetzt. Wir setzen auf agile Methoden wie Scrum und Kanban und verwenden Tools wie z.B Jira, Miro und Teams, um die Zusammenarbeit und Kommunikation im Team zu verbessern.

Während der Umsetzung der Optimierungsansätze stellen wir den Fortschritt regelmäßig vor und passen gegebenenfalls die Anforderungen an. Neue Anforderungen seitens der Stakeholder können jederzeit an den Product Owner kommuniziert werden, der die Priorisierung und Umsetzung koordiniert und kommuniziert.

Bei Bedarf unterstützen wir Euch mit zertifizierten Scrum Mastern und Product Ownern für relevante Rollen/Positionen im Einkauf, um sicherzustellen, dass die agile Transformation reibungslos verläuft.

Was würde Euch zum Thema agile Procurement noch interessieren?

Würdet ihr gerne agiler werden im Einkauf?

Stefan Elsner

3 Antworten

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Stefan ist geprüfter Fachwirt für Einkauf mit elektrotechnischen Wurzeln. Mit seiner mehrjährigen Erfahrung im Projekt- und Produktmanagement innerhalb unterschiedlichen Branchen ist er Ansprechpartner für technische Zertifizierungen (CE, UK-CA, UL, etc.). Stefans Steckenpferd ist die Integration eines agiles Mindsets in den Einkauf.

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