Die VUCA Welt und 4 Lösungsansätze

Die-VUCA-Welt

Die großen Zufälle sind das Gesetz. Die Ordnung der Dinge kann nicht auf sie verzichten.

Hattet ihr in den letzten Jahren auch das Gefühl, dass die Welt komplexer geworden ist – auch unabhängig von Corona und dem Ukraine-Konflikt? Dass eine Krise von der nächsten abgelöst wird? Aus der Elektrotechnik gesprochen, die Amplituden werden größer, die Frequenz wird höher ==> weg vom eingeschwungenen System… oder anders gesagt, wir leben in einer VUCA-Welt (Was das genau ist, erklären wir noch später).

Alleine, wenn wir Deutschland der letzten 15 Jahre betrachten, jagt eine Eskalation die nächste: 

Angefangen mit der Banken- und Finanzkrise 2008, der insgesamt unser Finanzsystem erschütterte und der aufgrund der hohen Neuverschuldung und Senkung der Zinsen bis heute Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. 

Es folgte 2015 in Deutschland die Flüchtlingskrise, die mehr gesellschaftliche und politische Ausmaße, denn Auswirkungen auf Unternehmen hatte, aber stillschweigend auch weiterhin nicht vorbei ist. In Kombination mit den in Deutschland herrschenden demografischen Strukturen dürfte dies in den nächsten Jahren noch ein Thema werden bzw. bleiben und dann auch Unternehmen beschäftigen.

2020 dann die Coronakrise, und deren Maßnahmen, welche viele Unternehmen gebeutelt zurückgelassen haben. Direkt hinein in den Ukraine – Russland – Konflikt im Jahr 2022, der uns nun seit gut einem Jahr begleitet. Die langfristigen Auswirkungen für Deutschland sind noch nicht abzusehen, aber rosig sieht es nicht aus. 

Auf LinkedIn werben Strategieberatungen wie Simon-Kucher mit Titeln Wie kommen Unternehmen durch eine mögliche Rezession? und auch die Aussichten auf die Zukunft sind in vielen persönlichen Gesprächen nicht eben optimistisch. 

Was als nächstes kommt – wir wissen es nicht, aber definitiv ist, dass unsere Welt heute schneller und komplexer ist, als sie es noch war in der Generation unserer Eltern. (Wobei zugegebenermaßen unsere Großeltern sicherlich mit schlimmerem zurechtkommen mussten, von Hunger bis Krieg.)

Genau dieses Phänomen beschreibt der Begriff VUCA.

VUCA ist ein 1985 von zwei Wissenschaftlern geschaffenes Akronym. 1990 wurde es nach dem Fall der UdSSR von der US-Army adaptiert, da die bisher klaren Feindbilder nicht mehr passen wollten.

Auch in den Kriegen im Irak und Afghanistan sah man sich nicht vollständig überschaubaren Situationen gegenüber, so dass ein System verwendet werden musste, das zu diesen geänderten Anforderungen passte. Heute hat die Unternehmenswelt das Thema VUCA und die dahinterstehenden Ansätze für sich entdeckt.

Wie gestaltet sich also derzeit unsere Umwelt, was steckt hinter VUCA?

Volatility - Volatilität

Wir leben in einer sich schnell verändernden Welt, die instabiler scheint, als sie das noch vor ein paar Jahrzehnten war. Ereignisse werden unvorhersehbar und verlaufen oft völlig unerwartet. Schwarze Schwäne (also unvorhersehbare Ereignisse) sind heute noch wahrscheinlicher als vor ein paar Jahrzehnten.

Uncertainty - Ungewissheit

Es ist oft schwierig Ereignisse vorherzusehen. Die einst herrschende Berechenbarkeit der Welt ist heute nicht mehr vorhanden. Prognosen, als Interpolation der Vergangenheit, sind nur noch sehr schwierig zu treffen. Planung von Investitionen, Entwicklungen und Wachstum wird fast unmöglich, wenn nicht klar ist, wohin die Reise geht.

Complexity – Komplexität

Die unterschiedlichsten Zusammenhänge und Schichten von Verflechtungen machen es schwierig Ursachen und Wirkungen zu erkennen. 

Auf politischer Ebene haben wir das im letzten Jahr eindrucksvoll gesehen: Auf der einen Seite die uneingeschränkten Ukraine-Unterstützer, die Lieferung schwerer Waffen und „Frieren für den Frieden“ verlangen. Auf der anderen Seite finden Grossdemos für Friedensverhandlungen in Berlin statt. 

Unbestreitbar sind die Gräuel eines Krieges, aber hier wird sichtbar, dass nicht für alle gleichermaßen die eine Wahrheit existiert – es scheint komplex zu sein. 

Werden in einem solchen Umfeld Entscheidungen getroffen, ist oft nicht mehr erkennbar, welche Reaktionen und Gegenreaktionen diese auslösen werden. Somit ist die Entscheidung für einen richtigen Weg nur mehr schwer möglich. Zum Glück müssen in Unternehmen meist nicht Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden, aber auch hier wird es schwieriger alle Zusammenhänge zu erkennen und entsprechend zu berücksichtigen.

Ambiguity - Mehrdeutigkeit

Auch lässt sich oft nicht mehr in Schwarz oder Weiß unterteilen. Wie im oben genannten Beispiel werden Ereignisse von unterschiedlichen Beobachtern deutlich anders beschrieben. Somit ist es schwer, Situationen klar zu bewerten. Das heißt, es gibt nicht nur viele unbekannte Elemente der Komplexität, sondern diese Elemente sind auch noch unterschiedlich deutbar, was die Basis für Entscheidungen noch schwieriger macht.

Die Anforderungen an Organisationen und Führung von heute sind widersprüchlicher und paradoxer denn je und erfordern Entscheidungen nach allgemeinen Werten zu treffen. Das Was? tritt hinter dem Warum? und dem Wie? zurück.

Was sind die Konsequenzen aus diesen Anforderungen, speziell auch für den Einkauf?

In dieser VUCA-Welt ist es nicht erstaunlich, dass agile Prinzipien immer häufiger entdeckt und angewendet werden. 

Daher arbeite ich gerne in Projekten mit den Kollegen von neusta zusammen, die Experten auf dem Gebiet sind (siehe auch den Artikel zum Thema agile Procurement). 

Ansonsten können folgende Strategien Organisationen helfen sich in der VUCA-Welt zurecht zu finden

Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf dezentrale Teams im vorgegebenen Rahmen. Für den Einkauf bedeutet dies, dass klassische zentrale Strukturen wie ein einziger Zentraleinkauf als Struktur hinterfragt werden dürfen. Das heißt, zentrale Strukturen müssen zwar die Übersicht behalten, Guidelines und Prozesse erarbeiten sowie die lokalen Einheiten miteinander verknüpfen. Um der heutigen Volatilität begegnen zu können, sollte aber die kurzfristige Entscheidungsgewalt eher lokal liegen. Eine sinnvolle Verzahnung beider Strukturen ist somit wichtiger denn je. Übergeordnete Werte und Ziele (KPIs) sowie allgemein vereinbarte Prioritäten helfen hierbei den Sich-selbst-steuernden Teams.

Was für Werte können dies im Einkauf sein? Besinnen wir uns zurück auf lange zurückliegende Vorlesungen, erinnern wir uns vielleicht an die 6 R’s der Beschaffung. Richtig definiert geben diese einen Rahmen für die eigenverantwortliche Arbeit von Teams.

Die 6 R’s der Beschaffung:

die richtigen Produkte oder Dienstleistungen (Sicherstellung der Spezifikationsqualität zusammen mit der Fachabteilung)

in der richtigen Menge (Hier spielen strategische Themen wie Forecasting und Lagerhaltungsstrategien mit rein)

am richtigen Ort

zum richtigen Zeitpunkt (Wie kann ich meine Lieferketten so flexibilisieren, dass ich auf wechselnde Herausforderungen reagieren kann?)

in der richtigen Qualität

zu den richtigen Kosten (Natürlich der Klassiker der Einkaufziele – das beste Preis-Leistungsverhältnis)

Informations- und Kommunikationsflüsse müssen vernetzt werden – Hier bieten sich häufige kurze Teammeetings an (Sprints) sowie die Nutzung von Tools, z.B. MS Teams und Kanban boards. Häufiger Austausch auch zwischen verschiedenen Abteilungen sorgt für eine möglichst umfassende Informationslage.

Agiles Projektmanagement, um auf Veränderungen der Anforderungen reagieren zu können. Dies beinhaltet auch iterative Vorgehensweisen, die eine positive Fehlerkultur zulassen. Das Hauptwerkzeug für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Strategien ist ein adäquates Risikomanagement.

Risikomangement: In einer VUCA-Welt müssen wir mit Risiken anders umgehen als in der vermeintlich „sicheren“ Welt, in der nur ab und an mal etwas unvorhergesehenes um die Ecke kommt. So müssen wir sicherstellen, dass wir herannahende Themen frühzeitig erkennen und entsprechend schnell handeln.

Beispiele für solch ein proaktives Handeln können sein, dass wir neue Technologien wie 3D-Drucker vermehrt für Langsamdreherteile einsetzt, um so unabhängiger von Lieferkettenproblematiken zu sein, andererseits aber auch Lagerbestände nicht unnötig hochhält. 

Ein anderes Beispiel für ein agiles Lieferantenmangement hat Stefan Elsner im Artikel über agile Procurement angerissen. 

In unseren nächsten Artikeln werden wir auch auf den möglichen Einsatz von künstlicher Intelligenz eingehen um in der VUCA Welt zu bestehen.

Die (Einkauf-)Organisation muss letztlich so aufgesetzt werden, dass Schocks von außen das System nicht zerbrechen. Unsere Organisation und unsere Prozesse müssen mindestens robust, besser noch antifragil werden.

Wie sehr ihr das Thema VUCA? Neue Mode, oder empfindet ihr die Welt heute auch als schnelllebiger und unberechenbarer als früher? Wie richtet ihr Eure Einkaufsabteilungen hieraus aus?

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Als diplomierter Maschinenbauer mit über 15 Jahren Erfahrung im Beschaffungsmanagement berät Daniel vom Einkäufer über Ingenieure bis hin zum CEO. Hierbei kann er auf das Wissen aus verschiedenen Industriezweigen von der Chemie- und Pharmabranche über die Energie- bis hin zu weiteren diversen technischen Branchen zugreifen. Neben dem strategischen Einkauf ist er spezialisiert auf Prozessverbesserungen, das Lieferanten-, Claim- und Vertragsmanagement, sowie Kostenoptimierungen unter anderem durch fortgeschrittene Verhandlungen.

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