Die Digitalisierung ist seit Jahren in aller Munde, aber erst eine weltweit ausgerufene Pandemie sorgte für die dringend notwendige Initialzündung.
Wir nutzen heute Videomedien und digitale Prozesse wie zum Beispiel Unterschriften per Docusign, wie wir uns das vor 5 Jahren noch nicht hätten vorstellen können. Bis auf einige wenige Unternehmen wurden wir in den letzten 3 Jahren ins digitale Zeitalter katapultiert, was die Formen der Zusammenarbeit angeht. Gerade der Einkauf als zentrale Schnittstellenposition profitiert daher ungemein von dieser Entwicklung. Trotz dessen ist der Weg in den Einkauf 4.0 noch lang und wir müssen jetzt aktiv werden – ansonsten kommt der Handlungsdruck von außen, denn auch aus den anderen Unternehmensbereichen steigen die Anforderungen mit Fortschreiten der Digitalisierung.
Quovadis Einkauf 4.0?
Zunächst müssen wir das Thema Einkauf 4.0 und digitale Transformation des Einkaufs gegeneinander abgrenzen:
In Anlehnung an die Thematik Industrie 4.0 ist der Übergang zwar fließend, die Abgrenzung ist aber klar dort zu treffen, wo einerseits Prozesse digitalisiert werden, andererseits diese aber dann komplett automatisiert, miteinander vernetzt und selbststeuernd sind (Was ist Industrie 4.0? Die Definition von Digitalisierung und Industrie 4.0 (wfb-bremen.de)).
Wir sind mitten in der vierten industriellen Revolution. Treiber ist nicht die Digitalisierung – das war die dritte Revolution
Prof. Holger Schiele, Uni Enschede
Wie im Buch von Florian C. Kleemann · Andreas H. Glas – Einkauf 4.0 Digitale Transformation der Beschaffung gut skizziert geht der Einkauf 4.0 über das reine eProcurement oder die Digitalisierung von Einkaufsprozessen hinaus.
Für den Einkauf bedeutet dies, dass Ihr zunächst, wo es Sinn macht, die Digitalisierung nahezu vollständig umsetzen müsst, bevor wir in das Zeitalter des Einkauf 4.0 eintreten können.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern es gibt Ziele, die wir damit verfolgen:
- Transparenz herstellen
- Prozesskosten senken
- Integration mit anderen Unternehmensbereichen und Lieferanten optimieren
Das bedeutet konkret, das wir uns im Einkauf auf die folgenden Tätigkeitsfelder fokussieren sollten, um die notwendigen Voraussetzungen für Einkauf 4.0 Initiativen zu schaffen:
- Der Einkauf muss sich noch stärker als interner Managment Dienstleister positionieren. Pflegt aktiv Eure Netzwerke im und außerhalb des Unternehmens um schnell auf Anforderungen reagieren zu können. Klärt so weit wie möglich die Erwartungshaltung der Fachbereiche z.B. mit einem Service-Level-Agreement für die Bestellgenerierung
- Durch ein verbessertes Reporting z.B. unter Zuhilfenahme von Big Data Technologien kann der Mehrwert des Einkaufs noch besser sichtbar gemacht werden, z.B. über ein Savings Reporting. Auch die Transparenz von Ausgaben kann durch ein gutes Datenmanagement erhöht werden.
- Vor allem der operative Einkauf sollte maximal automatisiert werden z.B. über eine automatische Bestellegenerierung oder die Integration von Katalogen, Kataloganbindungen und Einkaufsplattformen
- Digitalisiert sonstige Prozesse wie Stammdatenpflege über Portale, E-Ausschreibungen und Vertragsdatenmanagement. Systembrüche sollten wo möglich immer vermieden werden.
- Und nicht zuletzt muss die eigene Organisation hinterfragt werden – wie wird digital zusammengearbeitet? Was bringen uns Methoden und Tools aus dem Bereich Agile Procurement? Die Bedeutung des strategischen Einkaufs wird aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung des operativen Einkaufs immer mehr wachsen.
Damit seid ihr dann startklar für Anwendungen im Bereich Einkauf 4.0, die beispielsweise die Folgenden sein könnten:
- Erweiterte Nutzung von Big Data
- Nutzung von Künstlicher Intelligenz um zum Beispiel im Bereich Predictive Maintenance, der strategischen Wissensbewahrung oder auch von Prognosen z.B. aus dem Bereich Bedarfssteuerung.
- Nutzung von Verhandlungsavataren
- Einsatz von Einkaufsbots
- Maschine-Maschine Kommunikation, beispielsweise in der Lagerverwaltung oder der Überwachung von Lieferketten
Die Rolle des Einkaufs wird sich unter Einfluss dieser Innovationen sicherlich wandeln (müssen), hin zu strategischeren Aufgaben. Als Vision nimmt der Einkäufer der Zukunft Rollen ein wie:
- Innovationsscout – der Rahmen des Supplier relationship managements wird erweitert; Eine zentrale Aufgabe des Einkaufs der Zukunft wird sein, Innovationen in Zusammenarbeit mit Lieferanten aufzuspüren und somit dem Unternehmen strategisch wichtige Vorteile zu verschaffen.
- Integrationsmanager – Schon heute hat der Einkauf einer Zentrale Funktionen innerhalb des Unternehmens. Mit der erweiterten Vernetzung wird diese steuernde Funktion immer wichtiger, so dass der Einkauf die verschiedenen Anforderungen aus den Unternehmensbereichen konsolidieren und verarbeiten kann. Der End-2-End Prozess sollte immer im Vordergrund stehen (Beispiel durchgängige Buchung von der Bestellanforderung bis hin zur Rechnung)
- Prozessexperte – Unter dem Stichwort der Value Chain wird der Einkäufer der Zukunft sich vermehrt um Prozessoptimierungen bemühen.
- Datenanalyst – Zuhilfenahme von Big Data und ähnlichen Tools der künstlichen Intelligenz wird eine Aufgabe die Auswertung und Verwendung verschiedener Daten innerhalb und außerhalb des Unternehmens und die richtige Kontextverwendung sein.
- Schnittstellenmanager – Als Schnittstelle zu externen Partnern und Lieferanten ist der Einkauf angehalten auch in Zukunft strategische Zusammenarbeit zu fördern und stetig auszubauen. Hierbei wird das Schnittstellenmanagement immer wichtiger.
Dann ist ja alles klar. Aber wo befinden wir uns gerade auf dieser “Roadmap”?
Wie weit ist in Deutschland eigentlich der Einkauf im Thema der Digitalisierung?
Laut einer Studie von PwC aus diesem Jahr (2022) schreitet die digitale Transformation voran, auch motiviert durch erhöhte Risiko- und Complianceanforderungen. Daneben bleiben aber Kostenreduzierungen und der Strategische Einkauf weiterhin innerhalb der Top-3 Prioritäten von CPOs.
Engpässe, Preiserhöhungen, Inflation, Gesundheitskrisen ... Die Einkaufsabteilung konzentrieren sich in diesen Zeiten zunehmender Bedrohung für die Lieferketten stark auf ihre Kernziele innerhalb des Unternehmens
So setzen Sich Einkaufsabteilungen im Schnitt ein Ziel einer Digitalisierungsrate von 72% bis 2025. Die Konzentration liegt hierbei auf der Source-to-Pay Digitalisierung, Anwendungsfällen im Bereich ESG (Environmental Social Goverance) und Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette.
Bisher sind im Schnitt (nur)
- 44% der strategischen Prozesse (Strategischer Einkauf, Lieferantensuche, Vertragsmanagement, rausschauen Prozesse, Management der Lieferantenbeziehung, Risikovorhersage)
- 35% der transaktionalen Prozesse (Verwaltung von Lieferantendaten, Ausschreibungsmanagement Katalogmanagement, Beauftragungsprozesse (Procure-to-Pay)
- 40% der Berichtserstellung im Einkauf (Ausgabenanalyse, Business Intelligence, wirtschaftliches Leistungsmanagement)
digitalisiert.
Haupttreiber für die digitale Transformation sind hierbei die Prozesseffizienz und -vereinfachung sowie die Prozesstransparenz, -rückverfolgbarkeit sowie Nachhaltigkeitsfaktoren. Die Kostenreduzierung steht nur an dritter Stelle der genannten Gründe.
Nicht verwunderlich ist hierbei, dass große Unternehmen und Konzerne in den letzten Jahren gerade die operativen Prozesse schon umfassend digitalisiert haben. Kleinere und mittelständische Unternehmen haben nun durch die letzten zwei Jahre auch das Vorhaben massiv zu investieren, um mit den Großen hier gleichzuziehen und in der VUCA-Welt in der wir leben weiter bestehen zu können. Der Einkauf soll vom Mitläufer zum aktiven Partner werden.
Deutschland hat also noch einiges vor sich in den nächsten 3 Jahren. Wir könnten Euch helfen 😊.
Wie wir das machen, möchten wir euch im Detail gerne in unserem nächsten Artikel zeigen.
Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude, daher nur kurz vorab ein paar Zeilen zu unserem Projekt:
Wir haben, auch durch unsere agile Arbeitsweise, in nur 6 Monaten eine MVP-Version eines digitalen Präqualifizierungsservice für einen öffentlichen Auftraggeber konzipiert und implementiert.
Mittels einer Präqualifizierung können Unternehmen, die an öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmen, ihre Eignung ausschreibungsunabhängig bereits im Vorfeld nachweisen und sich in amtlichen Verzeichnissen registrieren lassen (hier erfährst du mehr). Ziel des Digitalisierungsprojektes ist, Eignungsprüfungen sowohl nutzerzentriert als auch effizienter und rechtssicherer durchzuführen. Arbeitsaufwand und Kosten für Unternehmen sollen reduziert und die Einreichung fehlerhafter oder unvollständiger Vergabeunterlagen, die zum Ausschluss vom Bieterverfahren führen könnten, vermieden werden. Vergabestellen der Länder sollen von der Aktualität und Vollständigkeit eingereichter Unterlagen profitieren und nicht mehr alle eingereichten Nachweise überprüfen müssen.
Stay tuned!
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